Madhya Nauli
Lehrprobe zur Yogalehrausbildung der GGF
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Überblick
Thema: | Madhya Nauli |
Zielgruppe: | TeilnehmerInnen mit mehrjähriger Praxiserfahrung, denen
die Techniken von kapalabhati und uddiyana bekannt und in der Praxis vertraut sind |
Stundenziel: | Einführung von nauli in Theorie und Praxis; hier von madhya nauli |
Fernziel: | nauli als kriya zur Reinigung für den grobstofflichen Körper fördert auch die Reinheit auf feinstofflicher Ebene, führt zu Durchlässigkeit und spiritueller Klarheit "Der psychophysische Körper ist das Instrument, das eine wohltuende Melodie des Geistes ertönen lässt. Für diesen schöpferischen Akt jedoch muß das Instrument zuvor gereinigt und gestimmt werden." (Ingrid Kohlhöfer) |
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Allgemeines zum Thema kriya
Kriya, suddhi, sodhana oder karma sind unterschiedliche Ausdrücke für den Begriff "Reinigung"; das Ziel sind Durchlässigkeit, Reinheit und Integration.
Das Konzept der Reinigung hat im Yoga eine bedeutende Schlüsselfunktion. Der gesamte yogische Prozess mit all seinen Prinzipien und Praktiken ist ein einziger Reinigungsweg auf psychophysischer und mentaler Ebene.
Das Konzept der kriyas zeigt Techniken auf, die den inneren Leib reinigen und über diesem Weg zu "citta suddhi" zur geistigen Reinigung führen sollen, indem (willentliche) Selbstkontrolle über die Vorgänge geübt wird.
Man kann davon ausgehen, dass die kriyas einen hohen therapeutischen Wert besitzen. Sie verursachen ein Ansteigen der Produktion der Stoffe, die die Gewebe der inneren Organsysteme bilden, was dazu führt, dass der Zellstoffwechsel angeregt und das Reaktionsvermögen der Organe gesteigert wird.
In der Gheranda Samhita (I/8) wird der menschliche Körper mit einem Tontopf verglichen. So wie das Tongefäß im Feuer gehärtet werden muss, um Wasser halten zu können, so muss auch der menschliche Körper im Feuer des Yoga gereinigt und gefestigt werden.
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Kriya in den traditionellen Texten
Die Gheranda Samhita beschäftigt sich im Kap. I besonders intensiv mit der Reinigung des physischen Körpers = sarira suddhi. Im Kap. I/9-11 finden wir sieben Hilfsmittel, den Körper in einen bestimmten Zustand zu bringen. An erster Stelle steht die Reinigung des Körpers - sodhana.
Es wird von sechs verschiedenen Klassifizierungen der Reinigungsprozesse - satkarmas - (sat = 6) gesprochen (Kap. I/12): dhauti, basti, neti, lauliki (nauli), trataka und kapalabhati.
Kriyas können nach 2 Merkmalen eingeordnet werden:
- nach der Art und Weise der Reinigung
- nach der Region, in der gereinigt werden soll
Art und Weise:
-durch Luft, Wasser, Reibung, manipulierende Bewegung oder Bewegungslosigkeit
Region:
- Atemwege, Nasengänge, Nasennebenhöhlen, Rachenraum
- Magentrakt, Speiseröhre
- After, Dick- und Dünndarm
Die Hathapradipika räumt den kriyas kein eigenes Kapitel ein; hier sind sie im 2. Kapitel unter pranayama aufgeführt. In II/23 werden diese sechs pflegenden Prozesse, die den Körper reinigen und wunderbare Resultate hervorbringen von den Yogis früherer Zeit hoch gepriesen.
In den Yoga-Sutren von Patanjali wird zum Beispiel beschrieben, wie durch pranayama lichtverhüllende Unreinheiten entfernt werden (II/52), also auch hier der Hinweis auf die Wichtigkeit der Reinigung auf psychophysischer und mentaler Ebene.
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Nauli in den klassischen Schriften
Nauli wird in der Gheranda Samhita (nauli = lauliki) und in der Hathapradipika aufgeführt.
GhS (I/51): "Bewege den Bauch schnell von einer Seite zur anderen. Dieses lauliki vertreibt alle Krankheiten und steigert die Körperwärme."
In der Hathapradipika werden genauere Angaben zur Technik gegeben.
HP (II/33+34): "Mit der Schnelligkeit eines raschen Strudels bewege man mit gebeugten Schultern den Unterleib nach links und rechts. Dies wird von den Vollendeten nauli genannt. Nauli, diese Krone der Übungen des Hatha, bringt in Ordnung das Aufflammen eines langsamen Verdauungsfeuers und die weitere Verdauung, schafft Wonne und beseitigt sämtliche Krankheiten der drei humores."
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Was bewirkt die Praxis von nauli?
In unserem bewegungsarmen Alltag mit falschen Ernährungsgewohnheiten und steigendem Missbrauch von Genussmitteln sammeln sich im Organismus gehäuft Abfallprodukte an. Zu den stärksten Verunreinigungen des Körpers zählt die Verstopfung des Darms. Hier ist das tägliche Praktizieren von nauli eine große Hilfe.
Durch die Druckverhältnisse bei uddiyana und nauli wird die Tätigkeit der Bauchorgane optimal angeregt. Durch den starken Unterdruck in allen Höhlen des Bauchraumes entsteht eine Darmmassage, die durch die drastischen Drehungen der glatten Muskulatur der Darmwand stimulierend auf die Peristaltik Einfluss nimmt.
Nauli reinigt und kräftigt den gesamten Verdauungsapparat, Nieren, Leber, Bauchspeicheldrüse und Milz eingeschlossen. Verstopfungen werden beseitigt und der Appetit angeregt. Die Blutzirkulation im Bauchraum erhöht sich. Die Bauchmuskulatur wird gestärkt und ein Gefühl von Wohlsein breitet sich im ganzen Körper aus.
Die Praxis von nauli sollte achtsam, bzw. nicht ausgeführt werden bei:
- Schmerzen im Bauchraum
- hohem Blutdruck
- Herzgefäßerkrankungen
- Lungenschwäche
- Schwangerschaft
- entzündlichen Prozessen und Geschwüren im gesamten Bauchraum
- Tendenz zu Brüchen im Bauchraum
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Technik
Nauli besteht aus zwei Praktiken: aus uddiyana und nauli. Man muss also zunächst in der Lage sein, uddiyana praktizieren und halten zu können, bevor mit der Praxis von nauli begonnen werden kann.
Uddiyana und nauli können stehend und sitzend praktiziert werden, wobei die stehende Position einfacher ist.
Bei nauli handelt es sich um die bewusste, differenzierte Anspannung isolierter Anteile der geraden Bauchmuskeln (Rectimuskeln), also um eine ungemein komplexe Technik, die mit viel Geduld und Ausdauer in mehreren Stufen erlernt werden kann.
In dieser Stunde möchte ich mich auf das Einführen von madhya nauli (mittleres nauli) beschränken.
- aufrechter Stand, die Füße stehen etwas mehr als hüftbreit auseinander
- die Knie leicht beugen und die Hände oberhalb der Knie ablegen
- den Oberkörper leicht beugen, die WS vollzieht eine Kurve, Kopf hängt
- Muskeln, besonders die Bauchmuskulatur entspannen
- vollständig ausatmen und den Atem anhalten
- die Rippen heben, den Brustkorb dehnen = uddiyana
- die Isolation der Rectimuskeln wird nun durch einen nach vorne und unten gerichteten Stoß bewerkstelligt. Der Schub konzentriert sich scharf auf die Stelle des Schambeinknochens, wodurch sich der hintere Teil des Zwerchfells senkt
- den Druck der Handwurzeln auf die Knie evtl. etwas verstärken
- den Rectimuskel des Bauches isoliert halten = madhya nauli
- Rippen sinken lassen und langsam! und kontrolliert die Luft einströmen lassen
- die Hände von den Knien lösen und in den aufrechten Stand kommen
Folgende Punkte bitte beachten:
- die Praxis von nauli nur mit leerem Magen praktizieren!
- Schultern während der Praxis von nauli leicht nach vorne beugen, damit die
- Bauchmuskeln möglichst entspannt sind
- den Bauch nicht pressen
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Stundengestaltung
1. Einkehr in die Stille
- meditative Sitzhaltung
- feste Basis erspüren
- Wirbelsäule aufrichten
- Achtsamkeit von außen nach innen lenken
- Atemgeschehen wahrnehmen
2. Mantra - Rezitation
3. Erläuterungen zum theoretischen Verständnis von kriya
4. vorbereitende Übungen:
4.1. parvatasana
- die Arme mit einer langsamen Einatmung seitlich heben und dicht über dem Kopf zusammenbringen
- die Arme nach oben strecken und einige Atemzüge in der Haltung verweilen
- die Arme zurück auf den Kopf bringen
- mit einer langsamen Ausatmung die Arme sinken lassen
- parvatasana beseitigt Spannungen im Nacken- und Schulterbereich, verbessert die Flexibilität des Brustkorbs und wirkt positiv auf die Atmung
4.2. kapalabhati
- aufrechte Sitzhaltung, Hände ruhen auf den Knien
- den Brustkorb heben, kraftvoll ausatmen, dadurch bewegt sich die Nabelregion nach innen
- den Bauch entspannen und einatmen (ca 2/3 Lunge füllen)
- die kraftvollen Ausatmungen und sanften Einatmungen einige Male wiederholen
- den Brustkorb senken und normal weiteratmen
- ca. 2 x 60 Stöße kapalabhati ausführen
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- kapalabhati fördert die Blutzirkulation im Körper und wirkt stärkend auf das Zwerchfell
4.3. uddiyana bandha
- aufrechter Stand, die Beine stehen etwas auseinander
- den Körper nach vorne beugen und die Hände auf die Knie legen
- vollständig ausatmen und den Atem anhalten
- die Rippen heben und den Brustkorb expandieren, ohne dabei Luft einströmen zu lassen
- die Bauchdecke ist locker und gleitet ohne Anstrengung nach innensolange verweilen, wie es angenehm ist
- die Rippen sinken lassen und langsam wieder einatmen
- Hände von den Knien nehmen und in den aufrechten Stand zurückkommen
- uddiyana bandha verbessert die Atmung und wirkt positiv auf die Durchblutung im Brust- und Bauchbereich, was zu einer optimalen Funktion der Bauchorgane führt.
5. theoretische und praktische Einführung von madhya nauli
6. eigene Demonstration
7. Praktizieren der Gruppe; ggf. auch paarweise üben und Raum für evtl. Fragen der Teilnehmer lassen
8. Ausgleich
savasana
9. meditativer Ausklang der Stunde in der Stille
yoga-mudra
Wunsch nach 3-fachem Frieden
OM SANTIH SANTIH SANTIH
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Quellen:
Dr. M.L. Gharote: Grundgedanken des Yoga, GGF 1997
Ingrid Kohlhöfer: Satkriyas - Reinigungstechniken im Yoga, GGF
Svatmarama Hathayogapradipika, Olms Verlag 1997
Gheranda Samhita, Hamsah-Verlag, Osnabrück
Deshpande, P.Y., Patanjali - Wurzeln des Yoga, Übersetzung B. Bäumer, O.W. Barth Verlag, Bern 1997
Susanne Worms © Januar 2004